Versicherungen und Nachhaltigkeit: Neue Regelungen und aktuelle Trends

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Seit Anfang August sind Versicherungs­unternehmen und Versicherungsvermitler aufgrund einer EU-Richtlinie verpflichtet, bei der Auswahl von Versicherungsanlageprodukten auf Nachhaltigkeitspräferenzen ihrer Kunden zu achten. Das fügt sich in eine allgemeine Entwicklung der Branche hin zu mehr Nachhaltigkeit ein. In jedem Fall wird es auch über Versicherungsberatung hinaus einfacher, sich über Nachhaltigkeit im Versicherungswesen zu informieren: Unter anderem sind in den letzten Monaten die Ergebnisse neuer Tests und Rankings erschienen, die es leichter machen, nachhaltige Versicherungsprodukte und -anbieter zu identifizieren.

Inhalt dieser Seite
  1. Neue Regeln für Beratung
  2. Nachhaltigkeit: Rolle von Versicherern
  3. Nachhaltigkeitsbericht des GDV
  4. Neue Ratings
  5. Fossile Energien: Kritik von NGO

Nachhaltigkeit: Das hat sich im Versicherungsvertrieb verändert

Wenn Versicherungs­unternehmen oder Versicherungsvermittler Versicherungsanlageprodukte wie Fondspolicen oder Kapitallebens­versicherungen vermitteln, müssen sie seit dem 2. August 2022 fragen, welche Nachhaltigkeitspräferenzen ihre Kunden haben. Dabei sind nach Angaben der BaFin (Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht) drei Kategorien zu beachten:

  • Ökologisch nachhaltige Investitionen im Sinne der neuen Taxonomie-Verordnung
  • Nachhaltige Investitionen im Sinne der Offenlegungs-Verordnung
  • Berücksichtigung negativer Auswirkungen auf Nachhaltigkeit, zum Beispiel in Form von Menschenrechts­verletzungen

Vermittler müssen Präferenzen erfragen, bei der Produktauswahl einbeziehen und das auch schriftlich dokumentieren. Außerdem müssen sie über die Nachhaltigkeit der Produkte berichten. Eine Schwierigkeit beim Berichten über die Nachaltigkeit entsteht jedoch daraus, dass die technischen Regulierungsstandards zur einheitlichen Bestimmung von Nachhaltigkeitsfaktoren erst am 01. Januar 2023 in Kraft treten sollen.

Kritik an der EU-Taxonomie

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Die EU-Taxonomie wurde dafür kritisiert, dass in ihr auch Investitionen in Atomkraft und fossiles Gas unter bestimmten Bedingungen als klimafreundlich eingestuft werden.

Nachhaltigkeit: Auch sonst ein Thema in der Versicherungsbranche

Es gibt verschiedene Ebenen, auf denen Versicherer ihre Arbeit nachhaltiger gestalten können:

  • Nachhaltige Unternehmensführung: Sind Versicherer faire Arbeitgeber? Herrscht Chancengleichheit im Unternehmen? Sind Unternehmensprozesse ressourcenschonend gestaltet?
  • Nachhaltige Versicherungsprodukte: Sind Versicherungen so gestaltet, dass sie nachhaltiges Verhalten anregen? (Beispiel: Versicherungen, die die Reparatur statt den Neukauf von Gegenständen belohnen)
  • Konditionen und Ausschlusskriterien für Gewerbe­versicherungen: Welche Wirtschaftsaktivitäten werden zu welchen Konditionen versichert?
  • Nachhaltige Anlage des verwalteten Vermögens und Ausübung des Stimmrechts als Investoren
Icon Geldsack

So viel Kapitel verwalten Versicherer

Nach Angaben des GDV aus dem November 2021 beträgt die Kapitalanlage der Versicherer 1,8 Billionen Euro. Durch die Kombination aus diesem Fakt und daraus, dass das Angebot kostengünstiger und umfassender Versicherungen die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen beeinflusst, ergibt sich ein großer Einfluss der Versicherungsbranche auf die Wirtschaft im Allgemeinen.

Selbstverpflichtungen

In den letzten Jahren haben sich viele Versicherer zu mehr Nachhaltigkeit verpflichtet. Zum Beispiel sind mehrere große Unternehmen Mitglieder der Net-Zero Insurance Alliance und Net-Zero Asset Owner Alliance, die eine Klimaerwärmung unter 1,5 Grad anstreben.


Nachhaltigkeit bei Versicherern: Aktueller Stand

Im ersten Nachhaltigkeitsbericht des Gesamtverbandes der deutschen Versicherungswirtschaft heißt es, dass über 90 Prozent der deutschen Versicherer bis 2025 CO2-neutrale Geschäftsprozesse anstreben und alle befragten Versicherer wollen verstärkt in Green, Social und Sustainability Bonds investieren. Der Bericht basiert auf drei Fragebögen des GDV und einer Abfrage der BaFin.

Nachhaltigkeitsbericht der GDV

Ergebnis der BaFin-Abfrage

Insgesamt deuten die Antworten auf die Abfrage der BaFin zur Auseinandersetzung mit Nachhaltigkeitsrisiken darauf hin, dass sich ein Großteil der Branche intensiv mit diesen auseinandersetzt und sie bei Geschäfts- und Risikostrategien mit einbezieht. Viele Versicherer berücksichtigen freiwillig Nachhaltigkeitsstandards. Allerdings sehe die BaFin auch in mancher Hinsicht Nachholbedarf.

Icon Papiere

Versicherer konnten Ressourcenverbrauch reduzieren

In den letzten Jahren konnten Versicherer ihren Papierverbrauch und ihre Emissionen senken. Hierbei waren jedoch auch die Effekte der Pandemie – also zum Beispiel mehr Arbeit von zu Hause und eine starke Reduktion von Dienstreisen – ein Faktor.


Nachhaltige Kapitalanlagen?

Wie sieht es mit den Kapitalanlagen der Versicherer aus? Auch das wird von den Umfragen des GDV abgedeckt, die etwa 75 Prozent der Kapitalanlagen repräsentieren:

  • Erstversicher managen 81,7 Prozent ihres Kapitalanlagevolumens nach Nachhaltigkeitskriterien
  • Für 56,8 Prozent werden externe Rating- oder Recherche-Agenturen hinzugezogen.
  • Nahezu alle Versicherer haben Negativlisten.
  • Ein Anteil von 63 Prozent der Kapitalanlagen wird nach Ausschlüssen gemanaged.

Begriffserklärung: Erst­versicherer

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Eine Erst­versicherung ist ein Vertrag zwischen einem Versicherer – dem Erst­versicherer – und einem Endverbraucher. Der Gegensatz dazu ist die Rück­versicherung, bei der ein Versicherer sein Risiko auf einen Rück­versicherer überträgt. Sehr vereinfacht gesagt: Rück­versicherer versichern Versicherer, die Endverbraucher versichern. Rück­versicherungen oder geteilte Versicherungen ermöglichen es, sehr große Risiken zu versichern.

Geldanlage: Diese Investitionen schließen Versicherer aus

Kontroverse Waffen – 99,10 %
Kohle – 87,70 %
Öl und Teersande – 59,90 %
Verstöße gegen Arbeits- und Menschenrechte, Kinderarbeit – 44,60 %

Wenig dezidiert nachhaltige Anlagen

Der Anteil dezidiert nachhaltiger Anlagen in den Bilanzen der Versicherer ist laut dem Nachhaltigkeitsbericht klein, wofür die Versicherer das mangelnde Angebot und das Fehlen einheitlicher Standards verantwortlich machen. Investitionen in erneuerbare Energien machten einen Anteil von 0,6 Prozent aus. 

Icon Kreisdiagramm

Icon Fabrik

Wer wird (nicht mehr) versichert?

ESG-Underwriting – also die Beachtung von ESG-Kriterien bei der Frage, welche Wirtschaftsaktivitäten Versicherungs­unternehmen versichern – wird noch nicht von allen Versicherern betrieben: 23 von 103 im GDV-Bericht betrachteten Versicherungs­unternehmen haben einen ESG-Prüfprozess, 80 nicht. Allerdings planen 41 Versicherer, entweder noch in diesem Jahr oder in den nächsten Jahren entsprechende Prozesse einzuführen. Dies würde auf ESG-Prüfungen bei 60 Prozent des Marktes hinauslaufen.

Begriffserklärung: ESG-Kriterien

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ESG-Kriterien sind drei Gruppen von Kriterien, an denen die Nachhaltigkeit eines Unternehmens gemessen wird.

  • E steht für „environmental“, also umweltfreundliches Wirtschaften
  • S steht für „social“, also soziale und gesellschaftliche Aspekte
  • G steht für „governance“, also gute Unternehmensführung

Neue Ratings zu nachhaltigen Versicherungen

Eine positive Tendenz ist, dass sich die Informationslage zu Nachhaltigkeit bei Versicherungen zunehmend verbessert. Nicht nur kann man auf den Websites zahlreicher Versicherer deren Nachhaltigkeitsberichte herunterladen, es gibt auch mehr und mehr öffentlich zugängliche Ratings zu diesem Thema, von denen einige erst in den letzten Monaten herausgekommen sind.


Neues ESG-Rating von Franke und Bornberg

Die unabhängige Rating-Agentur Franke und Bornberg hat zum Beispiel diesen Monat die Ergebnisse ihres ESG-Ratings für zwei Versicherer veröffentlicht:

BewertungsbereichGeneraliBarmenia
E (Environmental / Umwelt)gut (73 %)gut (71 %)
S (Social / Soziales)hervorragend (85 %)hervorragend (91 %)
G (Governance / Gute Unternehmensführung)hervorragend (86 %)sehr gut (75 %)
Gesamtwertungsehr gut (79 %)sehr gut (77 %)
Bewertungsbereich E ist mit 0,5 gewichtet, S und G jeweils mit 0,25.

Mehr dazu, woraus sich die einzelnen Kategorien im Detail zusammensetzen und wie die beiden Versicherer im Detail bewertet wurden, können Sie hier nachlesen:

Franke und Bornberg: ESG-Rating


Icon Graph

IVFP: Nachhaltige Fondspolicen

Auch das Institut für Vorsorge und Finanzplanung veröffentlichte kürzlich ein Rating zu nachhaltigen Fondspolicen. 27 Tarife der untersuchten Anbieter erhielten die Bewertung „exzellent“ (Quelle). Zum Vergleich: Im Nachhaltigkeitsrating von 2021 erhielten 19 Tarife diese Bewertung (Quelle). Welche Policen diese Bewertung erhielten, können Sie auf der Seite des IVFP einsehen.


Versicherungen und fossile Energien: Das sagt eine NGO-Kampagne

Während sich mittlerweile viele Versicherer verstärkt aus der Versicherung von und Investition in Kohle zurückziehen, sieht es auch im GDV-Bericht erwähnt bei anderen fossilen Energieträgern anders aus – das kritisieren auch verschiedene NGOs. Letztes Jahr (2021) rankte die NGO-Kampagne “Insure our Future” 30 global führende Versicherungen anhand ihrer Richtlinien für fossile Energien. Interessant ist hier auch die Kategorie “Other Climate Leadership” – dies deckt zum Beispiel ab, inwiefern die Interessen indigener Gruppen berücksichtigt werden. Hier können Sie die komplette Scorecard einsehen:

Scorecard von Insure the Future

Rückzug aus Kohleindustrie, Zögern bei Öl und Gas

Beispielsweise haben unter anderem so bedeutende Versicherer wie Allianz, Zurich und Munich Re (zur Munich Re AG gehören zum Beispiel DKV und Ergo) keine Restriktionen für die Versicherung neuer Öl- und Gasprojekte. Der Rückzug vieler Versicherer aus dem Geschäft mit Kohlefirmen hat jedoch spürbare Effekte für die Kohleindustrie.

Icon Stern

Stärkste Regeln für fossile Brennstoffe: Allianz

Trotz ihrer Vorgehensweise in Bezug auf Öl und Gas führt die Allianz das Ranking von “Insure our Future” als der Versicherer mit den stärksten Regeln für fossile Brennstoffe an, gefolgt von Axa – einem der drei Versicherer, die auch die Versicherungen neuer Öl- und Gasprojekte einschränken. Axa und die Alllianz erhalten auch eine gute Bewertung in Bezug auf ihr allgemeines Divestment aus fossilen Brennstoffen, aber auch Zurich, Swiss Re und Generali schneiden hier gut ab. Besonders schlechte Bewertungen erhalten verschiedene Versicherer aus den USA und den Bermudas.

Kompletter Rückzug aus fossilen Energien gefordert

“Insure our Future” betont, dass ein Rückzug aus allen fossilen Energien wichtig ist. Die Kampagne beruft sich auf die Aussage der International Energy Agency, dass die Produktion von Öl und Gas nach 2021 nicht kompatibel mit dem 1,5 Grad Ziel ist. Die Kampagne ruft Versicherer auf, sich noch stärker an dem Pariser Klimaabkommen zu orientieren.

Eindämmung des Klimawandels im Interesse von Versicherern

Eine Eindämmung des Klimawandels liegt im Interesse von Versicherungs­unternehmen, da zum Beispiel extreme Wetterereignisse sehr teure Schäden nach sich ziehen können. Versicherer weltweit haben im Jahr 2021 120 Milliarden Dollar wegen Naturkatastrophen verloren. Schon 2012 war davon die Rede, dass eine vier Grad heißere Welt nicht mehr versicherbar ist.

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