Der Koalitionsvertrag sieht eine grundlegende Reform der geförderten privaten Altersvorsorge vor. Eine Fokusgruppe sollte Vorschläge dazu prüfen und Empfehlungen erarbeiten. Am 17.07.2023 veröffentlichte sie ihren Abschlussbericht.
Auftrag und Teilnehmer der Fokusgruppe
Zielsetzung der Fokusgruppe
Die Fokusgruppe sollte die folgenden Möglichkeiten prüfen:
- Einführung eines öffentlich verantworteten Fonds mit Opt-Out-System
- Gesetzliche Anerkennung privater Produkte mit einer besseren Rendite als die Riester-Rente
Zusammensetzung der Gruppe
- Bundesministerien: Bundesminsterium für Finanzen, Bundesminsterium für Wirtschaft und Klimaschutz, Bundesminsterium für Arbeit und Soziales
- Anbieterverbände: Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e. V. (GDV), Bundesverband Investment und Asset Management e. V. (BVI)
- Verbraucherschützer: Stiftung Warentest, Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. (vbzb)
- Arbeitsgemeinschaft für betriebliche Altersvorsorge e.V. (aba)
- Sozialpartner: Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA),
Deutscher Gewerkschaftsbund (DGB) - Verschiedene Wissenschaftler
Wie geht es mit den Empfehlungen weiter?
Im nächsten Schritt wird ein Gesetzesentwurf erarbeitet. Dieser muss dann geprüft und vom Kabinett verabschiedet werden, bevor der Bundestag darüber abstimmen kann. Wir können mit dem Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens frühestens 2024 rechnen.
Bestandsaufnahme: Inanspruchnahme zusätzlicher Altersvorsorge in Deutschland
Quellen von Alterseinkommen
Laut der Bestandsaufnahme der Fokusgruppe stellt die gesetzliche Rentenversicherung für einen großen Teil der Bevölkerung nach wie vor die wichtigste Einkommensquelle im Alter dar. 2020 zahlte sie 60 Prozent der Alterssicherungsleistungen für Menschen ab 65 Jahren. 15 Prozent kommen von Pensionen und berufsständischen Versorgungswerken. Betriebsrenten und private Vorsorge machen je acht und sieben Prozent aus.
Verbreitung zusätzlicher Altersvorsorge 2021
2021 wurden die folgenden Altersvorsorgeprodukte von dem folgenden Anteil der Bevölkerung genutzt:
Einkommen als wichtiger Faktor für die Nutzung zusätzlicher Altersvorsorge
Wenig überraschend: Bezieher geringer Einkommen nutzen private und betriebliche Altersvorsorge seltener. Der Anteil steigt, je höher das Einkommen ist. Faktoren wie die Inflation, die Coronapandemie und der Angriff auf die Ukraine führten in den letzten Jahren verstärkt dazu, dass Personen weniger sparen konnten, auf ihre finanziellen Rücklagen zurückgreifen mussten und Finanzanlagen verkauften oder Altersvorsorgeverträge kündigten.
Identifizierte Probleme
Hemmnisse für die Nutzung zusätzlicher Altersvorsorge sind laut dem Bericht:
- Geringe finanzielle Bildung
- Unsicherheit über den Stand der eigenen Altersvorsorge und komplizierte Förderregeln, die zu Fehleinschätzungen der Situation und Förderberechtigung führen
- Intransparenz und hohe Abschluss- und Vertriebskosten
- Lock-in-Effekte wegen hoher Wechselkosten
- Geringe Verbreitung der betrieblichen Altersvorsorge in kleinen und mittleren Unternehmen
- Unzureichende Beratung und zu wenig Kostensensibilität, wodurch Kunden unnötig teure Verträge abschließen
- Hohe Kosten und weniger Angebot wegen verpflichtender Garantien
Die wichtigsten Empfehlungen
Es wurden verschiedene Möglichkeiten diskutiert, die Altersvorsorge zu verbessern oder neue geförderte Produkte einzuführen. Zu den schließlich erarbeiteten Empfehlungen gehören unter anderem die folgenden Punkte:
Vorschlag: Depot für die Altersvorsorge
Nach mehreren Diskussionsrunden einigte sich die Gruppe auf mehrere Empfehlungen zur Reform der Altersvorsorge. Darunter ist die Einführung eines zertifizierten, förderfähigen Altersvorsorgedepots ohne Garantievorgaben. Damit sollen Sparende zum Beispiel in Fonds oder andere Anlageklassen investieren. Für die Zulassung privater förderfähiger Altersvorsorgeprodukte muss ein erweitertes Zertifizierungsverfahren erarbeitet werden. Es ist eine nachgelagerte Besteuerung vorgesehen.
Senkung von Garantieanforderungen
Durch die Reduzierung von Garantien sollen die Renditechancen steigen. Die Beitragsgarantie soll bei rein fondsgebundenen Produkten entfallen und bei hybriden und klassisch versicherungsförmigen Produkten reduziert werden. Es soll jedoch auch weiterhin Altersvorsorgeprodukte mit Garantien geben.
Mehr Wettbewerb, niedrigere Kosten
Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Senkung von Kosten. Dies soll durch eine Standardisierung von Produktanforderungen und eine Förderung des Wettbewerbs unter Anbietern erreicht sein. Letzterer soll wiederum dadurch gefördert werden, dass Leute einfach und kostengünstig ihren Anbieter wechseln können. Kunden sollen zudem durch eine unabhängige digitale Vergleichsplattform und individuelle Beratung in der Lage sein, sich besser über Produkte zu informieren.
Fördersystematik bleibt ähnlich
Die staatliche Förderung soll weiterhin über Zulagen, Zuschüsse und die Möglichkeit erfolgen, die Ausgaben für die Altersvorsorge als Sonderausgaben von der Steuer abzusetzen. Von der Riester-Rente soll beibehalten werden, dass junge Menschen, Eltern und Menschen aus den unteren Einkommensschichten besonders stark von der Förderung profitieren sollen. Auch Selbständige sollen förderberechtigt werden.
Mehr Förderung und Bürokratieabbau
Die Vorschläge beinhalten auch eine Vereinfachung und Anpassung der Förderung. Das bedeutet:
- Vereinfachung der Mindesteigenbeitragberechnung
- Vereinheitlichung der Kinderzulage
- Anpassung des Höchstbetrags
Flexibilität bei der Auszahlung
Es wird auch eine flexiblere Gestaltung der Auszahlung des angesparten Vermögens bei Eintritt ins Rentenalter empfohlen. Neben der Auszahlung als lebenslange Leibrente soll es auch möglich sein, das Geld beispielsweise für eine selbstgenutzte Immobilie (Tilgung eines Kredits, Sanierung oder altersgerechter Umbau) oder das Aufschieben der Inanspruchnahme der gesetzlichen Rente zu nutzen.
Änderungen bei bestehenden Riester-Verträgen
Es gilt Bestandsschutz für bereits existierende Riester-Verträge. Die Fokusgruppe empfiehlt, dass die empfohlenen Weichenstellungen für die geförderte private Altersvorsorge auch für bestehende Riester-Verträge übernommen werden sollen. Für die Änderung eines bestehenden Vertrages ist jedoch das Einverständnis der Vertragspartner notwendig.
Kein öffentlich verwalteter Fonds
Die Fokusgruppe prüfte wie vorgesehen die Idee eines öffentlich verwalteten Fonds. Es wurden vergleichbare Modelle aus anderen Ländern vorgestellt und der vzvb stellte das Modell einer „Extrarente“ über einen öffentlich verwalteten Fonds mit Opt-Out-System vor. Er argumentierte unter anderem mit der Effizienz eines solchen Modells wegen der Reduktion von Vertriebs- und Verwaltungskosten. Die Mehrheit der Fokusgruppe stimmte jedoch dagegen, dieses Modell zu empfehlen.
Kritik am Ergebnis
Die Empfehlungen wurden teilweise mit Minderheitsvoten beschlossen und mehrere Teilnehmer gingen enttäuscht aus der Runde. Das gilt insbesondere für die Fürsprecher der Idee des staatlich verwalteten Fonds wie den vzvb. Dieser sieht auch die Verminderung von Beitragsgarantien für Versicherungsprodukte sehr kritisch. Ausführlich begründete Stellungnahmen der einzelnen Beteiligten finden Sie in den Anlagen des Abschlussberichts.
Lesen Sie selbst
Sie können den Abschlussbericht auf der Seite des Bundesministeriums für Finanzen kostenfrei herunterladen. Darin finden Sie detailliertere Informationen zur Bestandsaufnahme, zu den diskutierten Modellen inklusive Kritik daran und den schließlich erarbeiteten Empfehlungen.
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