Prämienanpassung dürfen Versicherte nicht unangemessen benachteiligen
Viele Privatpatienten können auf eine Rückzahlung ihrer Versicherer hoffen. Nach dem noch nicht rechtskräftigen Urteil des Landgerichts Bonn sind Vertragsklauseln unwirksam, welche die „auslösenden Faktoren“ für eine Prämienanpassung nach unten korrigieren. Zuvor hatten bereits mehrere Gerichte entschieden, dass bestimmte Beitragserhöhungen von privaten Krankenversicherungen nicht rechtmäßig waren. Um unrechtmäßige Prämienerhöhungen zurückzufordern, sollten Versicherte selbst aktiv werden und sich auf jeden Fall von einem spezialisierten Fachanwalt beraten lassen, wie auch Rechtsanwalt Dr. Knut Pilz im Interview mit transparent-beraten.de rät.
Unter welchen Umständen ist es Anbietern der privaten Krankenversicherung möglich, Prämien zu erhöhen?
Dr. Knut Pilz: Der rechtliche Rahmen für eine Prämienanpassung wird in § 203 VVG sowie in § 155 VAG vorgegeben. Danach kann der Versicherer die Prämie unter anderem anpassen, wenn die erforderlichen Versicherungsleistungen von den kalkulierten Leistungen um mehr als zehn Prozent abweichen. Zudem ist jede Prämienanpassung vom Versicherer zu begründen und ihr muss ein unabhängiger Treuhänder zustimmen.
Was bedeutet es für Versicherte, wenn die private Krankenversicherung die Bedingungen für eine Prämienerhöhung herabsetzt?
Dr. Pilz: In engen Grenzen ist es dem Versicherer möglich, in seinen Versicherungsbedingungen die Voraussetzungen für eine Prämienanpassung zu modifizieren. Allerdings darf die Prämienerhöhung nicht in das „Belieben“ des Versicherers gestellt werden und zu einer unangemessenen Benachteiligung des Versicherungsnehmers führen. Dies hat das Landgericht Bonn im angesprochenen Urteil indes angenommen.
„Ein normaler Versicherungsnehmer kann in der Regel nicht erkennen, ob die vom Versicherer vorgenommenen Prämienanpassungen rechtmäßig sind oder nicht.“
Ist eine Einschätzung möglich, wie viele Prämienanpassungen aufgrund des Urteils des Landgerichts Bonn unwirksam sein könnten?
Dr. Pilz: Eine Schätzung über die Zahl der betroffenen Prämienanpassungen ist nur grob möglich. So findet sich die vom Gericht verworfene Regelung bei vielen Versicherern in den Versicherungsbedingungen, sodass bei einer konservativen Schätzung circa 40 Prozent der gesamten Prämienanpassungen betroffen sein können. Allerdings variiert das erheblich zwischen den einzelnen Versicherern.
Wie kann ein Versicherter eine unwirksame Prämienanpassung erkennen? Und was sollte er im Folgenden tun?
Dr. Pilz: Ein normaler Versicherungsnehmer kann in der Regel nicht erkennen, ob die vom Versicherer vorgenommenen Prämienanpassungen rechtmäßig sind oder nicht. Hier kann er nur spezialisierten anwaltlichen Rat einholen. Vorzugsweise durch einen Fachanwalt für Versicherungsrecht mit dem entsprechenden Schwerpunkt.
„Versicherungsnehmer sollten nicht ohne vorherige Beratung ihre bisherigen Prämien kürzen. Damit würden sie ihren Versicherungsschutz gefährden.“
Was bedeutet das Urteil des Landgerichts Bonn für Versicherte, deren Beiträge aufgrund einer unwirksamen Prämienanpassung erhöht wurden? Was empfehlen sie diesen Versicherten?
Dr. Pilz: Betroffene Versicherte, insbesondere solche der DKV, aber auch solche anderer Versicherer wie der Allianz und Signal Iduna können zu viel gezahlte Prämien zurückfordern. Des Weiteren schulden sie auch nur eine geringere Prämie in der Zukunft. Damit diese Ansprüche gegen den Versicherer nicht verjähren, müssen die Versicherungsnehmer allerdings zeitnah – in der Regel mit anwaltlicher Unterstützung – tätig werden. Wichtig zu betonen ist zudem, dass die Versicherungsnehmer nicht einfach ohne vorherige Beratung ihre bisherige Prämie kürzen. Damit würden sie ihren Versicherungsschutz gefährden.
Vielen Dank für die Beantwortung unserer Fragen!
Kurzportrait: Dr. Knut Pilz
Dr. Knut Pilz ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Versicherungsrecht sowie Partner der Kanzlei Pilz Wesser & Partner Rechtsanwälte mbB in Berlin. Er war mehrere Jahre wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Freien Universität Berlin an einem versicherungsrechtlichen Lehrstuhl und hat in diesem Bereich promoviert.
Aktuell lehrt er zudem am Berufsbildungswerk der Deutschen Versicherungswirtschaft, ist Dozent für den Bereich „Lebensversicherungsrecht“ im Rahmen der Ausbildung zum Fachanwalt für Versicherungsrecht und Autor verschiedener Fachbeiträge zum Versicherungsrecht. Der Schwerpunkt seiner bundesweiten anwaltlichen Tätigkeit liegt im Bereich des Personenversicherungsrechts, insbesondere des Lebens- und Krankenversicherungsrechts.