Leistungspflicht bei medizinischer Notwendigkeit
Die ehemalige Zehnkampf-Olympiasiegerin Caitlyn Jenner hat in den sozialen Medien durch ihr Bekenntnis zur Transsexualität viel Sympathie erhalten. Von einem so offenen Klima ist allerdings im Alltag meist noch wenig zu spüren. Auch im Versicherungswesen existieren in diesem Bereich noch viele Unklarheiten. Welche Kosten die private Krankenversicherung bei der Geschlechtsangleichung übernimmt und ob sich etwas am Vertrag ändert, wenn ein Versicherter eine Geschlechtsangleichung vornehmen lässt, ist vielen Betroffenen nicht bewusst.
Unisex-Tarife als erster Schritt zur Offenheit
Der Europäische Gerichtshof veranlasste 2012 die Einführung von Unisex-Tarifen für Versicherungen. Seit dem 21.12.2012 darf das Geschlecht in neu abgeschlossenen Versicherungsverträgen somit nicht mehr berücksichtigt werden. Ein erster Schritt gegen die Diskriminierung von trans Menschen und die Gleichstellung der Geschlechter war damit getan.
Leistungspflicht der privaten Krankenversicherung bei Geschlechtsumwandlungen
Die private Krankenversicherung übernimmt grundsätzlich die Kosten für eine Geschlechtsumwandlung. Allerdings wartet auf die Betroffenen oft ein langwieriger Prozess, bei dem viele Gutachten und Diagnosen vorgelegt werden müssen. Denn Privatversicherte bekommen die Kosten für eine Geschlechtsangleichung nur von ihrer Versicherung erstattet, wenn sie nachweisen können, dass die Angleichung medizinisch notwendig ist. Das bedeutet, dass sich der Versicherte nicht mit seinen angeborenen Geschlechtsmerkmalen identifizieren kann und sich infolgedessen schwerwiegende psychische und physische Probleme ergeben.
Voraussetzungen für Kostenübernahme
Der privaten Krankenversicherung reicht es in der Regel nicht aus, wenn trans Menschen den gesetzlichen Nachweis über eine Abänderung des Namens und des Geschlechts liefern. Erst wenn der Nachweis über einen klinisch relevanten Leidensdruck vorliegt, der als nicht heilbar gilt, werden die Kosten für die Geschlechtsangleichung übernommen. Kritiker halten diese Vorgaben für ungerechtfertigt und überholt. Immer häufiger werden Stimmen laut, die fordern, dass eine Geschlechtsangleichung ohne vorhergehende Gutachterverfahren durchgeführt werden sollen. Dieser Schritt solle stattdessen der eigenen Verantwortung von trans Menschen überlassen werden.
Für diese Kosten kommt die private Krankenversicherung auf
Werden die benötigten Gutachten vorgelegt, müssen von der privaten Krankenversicherung nicht nur die Kosten für eine Geschlechtsangleichung übernommen werden, sondern auch für eine begleitende Psychotherapie und Hormonbehandlung. In begründeten Einzelfällen werden auch die Kosten für die Anfertigung oder Anschaffung von Hilfsmitteln übernommen, etwa Penisepithesen aus Silikon. Zu den geschlechtsangleichenden Operationen, die übernommen werden, zählen:
- Entfernung des Uterus (Hysterektomie)
- Entfernung des Scheidengewebes (Kolpektomie)
- Entfernung der Eierstöcke (Ovarektomie)
- Entfernung der Brüste (Mastektomie)
- Entfernung der Hoden (Orchiektomie)
- Entfernung der Schwellkörper (Corpora cavernosa)
- Plastischer Aufbau äußerer Geschlechtsmerkmale
Europarat verabschiedet neue Resolution für trans Menschen
Die Selbsteinschätzung von Transsexuellen soll in Zukunft deutlich gestärkt werden, so auch die Forderung einer im April 2015 vom Europarat erlassenen Resolution. Zu den Forderungen der mehrheitlich beschlossenen Resolution zählen unter anderem, dass die Namensänderung bei trans Menschen schneller und einfacher vonstattengehen soll. Dieses Verfahren solle nicht auf psychologischen Gutachten, medizinischen Behandlungen oder Operationen beruhen, sondern der freien Entscheidung der betroffenen Personen entspringen.
Gleichzeitig wurde auch gefordert, dass medizinische Behandlungen zur Geschlechtsangleichung wie zum Beispiel Hormontherapien, Operationen und psychologische Betreuungen den Betroffenen zugänglich gemacht und von der Krankenversicherung übernommen werden. Die Mitgliedsstaaten des Europarats sollen außerdem dafür sorgen, dass trans Menschen durch internationale Klassifizierungen nicht mehr als psychisch krank eingestuft werden und trotzdem einen Zugang zu medizinischer Behandlung erhalten.
Transsexuellengesetz (TSG)
Gesetz über die Änderung der Vornamen und die Feststellung der Geschlechtszugehörigkeit in besonderen Fällen
(1) Die Vornamen einer Person sind auf ihren Antrag vom Gericht zu ändern, wenn
- sie sich auf Grund ihrer transsexuellen Prägung nicht mehr dem in ihrem Geburtseintrag angegebenen Geschlecht, sondern dem anderen Geschlecht als zugehörig empfindet und seit mindestens drei Jahren unter dem Zwang steht, ihren Vorstellungen entsprechend zu leben,
- mit hoher Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dass sich ihr Zugehörigkeitsempfinden zum anderen Geschlecht nicht mehr ändern wird, und
- sie
a) Deutscher im Sinne des Grundgesetzes ist,
b) als Staatenloser oder heimatloser Ausländer ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat,
c) als Gastberechtigter oder ausländischer Flüchtling ihren Wohnsitz im Inland hat oder
d) als Ausländer, dessen Heimatrecht keine diesem Gesetz vergleichbare Regelung kennt,
aa) ein unbefristetes Aufenthaltsrecht besitzt oder
bb) eine verlängerbare Aufenthaltserlaubnis besitzt und sich dauerhaft rechtmäßig im Inland aufhält.
(2) In dem Antrag sind die Vornamen anzugeben, die der Antragender künftig führen will.
Probleme mit der privaten Krankenversicherung umgehen
Wenn man privat krankenversichert ist und eine Geschlechtsangleichung vornehmen möchte, können Schwierigkeiten auf einen zukommen, da die private Krankenversicherung grundsätzlich die Möglichkeit hat, einen Vertrag anzufechten oder zu kündigen. Bestimmte Leistungen können von der Versicherung zudem ausgeschlossen werden. Wenn die Transsexualität bei Vertragsabschluss nicht angegeben wurde, ist es wichtig, dass man dem Versicherer detailliert darlegt, dass die Transsexualität bei Vertragsabschluss nicht angegeben werden konnte, da man sich ihrer noch nicht bewusst war. Gab es bereits vorherige Behandlungen durch Psychotherapeuten und Hormonbehandlungen, sollten diese bei einer Gesundheitsprüfung bei Vertragsabschluss wahrheitsgemäß angegeben werden.
Besonderer Dank für weiterführende Informationen zum Thema Transsexualität gilt Frau Nicole Faerber, Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität e.V.
Weitere Informationen und Hilfe zum Thema Transsexualität und Geschlechtsangleichung:
Deutsche Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität e.V.
Lesben und Schwulenverband in Deutschland