Der lange Weg zum Arzt – Problemfall Kranken­versicherung von Flüchtlingen

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Wie sind Geflüchtete krankenversichert?

Flüchtlinge haben zunächst keine Kranken­versicherung, können in Deutschland aber eine grundlegende Gesundheitsversorgung in Anspruch nehmen. In vielen Bundesländern reduziert die frühe Ausgabe einer elektronischen Gesundheitskarte bürokratische Hürden.

Diese Leistungen stehen Asylbewerbern zu

Asylsuchende in Deutschland sind während der ersten 18 Monate ihres Aufenthalts grundsätzlich nicht gesetzlich krankenversichert. Trotzdem stehen Geflüchteten, die einen Asylantrag gestellt oder einen Aufenthaltstitel haben, nach dem Asylbewerberleistungsgesetz die folgenden medizinischen Leistungen zu:

  • Behandlung akuter Erkrankungen und Schmerzzustände
  • Betreuung bei Schwangerschaft und Geburt
  • Schutzimpfungen und Vorsorgeuntersuchungen

Informationen zur Gesundheitsversorgung und Kranken­versicherung für Geflüchtete finden Sie auf der Website der Beauftragen für Migration, Flüchtlinge und Integration.

Asylbewerberleistungsgesetz § 4 Leistungen bei Krankheit, Schwangerschaft und Geburt

„(1) Zur Behandlung akuter Erkrankungen und Schmerzzustände sind die erforderliche ärztliche und zahnärztliche Behandlung einschließlich der Versorgung mit Arznei- und Verbandmitteln sowie sonstiger zur Genesung, zur Besserung oder zur Linderung von Krankheiten oder Krankheits­folgen erforderlichen Leistungen zu gewähren. Eine Versorgung mit Zahnersatz erfolgt nur, soweit dies im Einzelfall aus medizinischen Gründen unaufschiebbar ist.

(2) Werdenden Müttern und Wöchnerinnen sind ärztliche und pflegerische Hilfe und Betreuung, Hebammenhilfe, Arznei-, Verband- und Heilmittel zu gewähren.

(3) Die zuständige Behörde stellt die ärztliche und zahnärztliche Versorgung einschließlich der amtlich empfohlenen Schutzimpfungen und medizinisch gebotenen Vorsorgeuntersuchungen sicher. Soweit die Leistungen durch niedergelassene Ärzte oder Zahnärzte erfolgen, richtet sich die Vergütung nach den am Ort der Niederlassung des Arztes oder Zahnarztes geltenden Verträgen nach § 72 Abs. 2 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch. Die zuständige Behörde bestimmt, welcher Vertrag Anwendung findet.“

Behandlungsscheine während der Wartezeit

Während der ersten 18 Monate des Aufenthalts in Deutschland gilt in mehreren Bundesländern, dass man sich als Geflüchteter beim örtlichen Sozialamt einen Behandlungsschein ausstellen lassen muss, bevor man zum Arzt geht. Manchmal werden auch Scheine für ein ganzes Quartal ausgestellt. Der Behandlungsschein wird in der Praxis abgegeben und der Arzt rechnet die Behandlung regulär über die Kassenärztliche Vereinigung ab. Diese fordert die Leistungen dann vom Sozialamt zurück. Auch für die Verschreibung von Medikamenten und Hilfsmitteln und die Überweisung in ein Krankenhaus ist eine Genehmigung nötig.


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Probleme des Behandlungsscheinsystems

Das Behandlungsscheinsystem wird scharf kritisiert. Kritikpunkte sind unter anderem:

  • Zusätzliche administrative Hürden verlängern Wartezeiten
  • Nicht dafür qualifizierte Personen entscheiden über den Zugang zu medizinischer Versorgung
  • Stigmatisierung der Geflüchteten

Nach der Wartezeit: Krankenkasse betreut Geflüchtete

Nach den 18 Monaten Wartezeit erhalten Geflüchtete eine elektronische Gesundheitskarte und können damit direkt zum Arzt gehen. Sie erhalten nun alle Leistungen der gesetzlichen Kranken­versicherung, sind jedoch keine offiziellen Mitglieder. Der Staat erstattet den Krankenkassen die erbrachten Dienstleistungen. Die Geflüchteten können nun auch selbst entscheiden, in welcher Krankenkasse sie versichert sein wollen, und müssen auch Zuzahlungen leisten.

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Das Bremer Modell: Elektronische Gesundheitskarte von Anfang an

Länder können auch innerhalb der Wartezeit eine auftragsweise Betreuung Geflüchteter bei einer Krankenkasse vereinbaren. Für die Geflüchteten bedeutet das, dass sie schon vor dem Ablauf der 18 Monate eine Gesundheitskarte bekommen, welche die Behandlungsscheine ersetzt. Sie können also direkt zum Arzt gehen. Dieses „Bremer Modell“ ermöglicht seit 2005 Asylsuchenden einen unbürokratischen Zugang zum Gesundheitssystem.


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Geflüchtete erhalten schneller Hilfe

Durch diese Karte sind Flüchtlinge weniger abhängig von den Ermessensentscheidungen von Sozialbehördenmitarbeitern, die für diese Tätigkeit nicht ausgebildet sind. Außerdem verhindert sie Verzögerungen bei der medizinischen Versorgung, weil der Gang zum Sozialamt wegfällt.

Kosteneinsparungen durch das Programm

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Auch Hamburg hat sich 2012 an dieses Programm angeschlossen. Und dass sich dieses Modell rentiert, zeigt ein Blick auf die Kosten: In Hamburg kam es durch das neue System zu Einsparungen von rund 1,6 Millionen Euro innerhalb eines Jahres, wie der Senat verkündete.

Welche Länder geben elektronische Gesundheitskarten aus?

Ob man in den ersten 18 Monaten eine elektronische Gesundheitskarte oder Behandlungsscheine nutzen muss, hängt vom Bundesland und in einigen Fällen auch von der Kommune oder Gemeinde ab. Auch die Leistungen, die Geflüchtete in Anspruch nehmen können, sind nicht einheitlich gestaltet.

  • Berlin
  • Brandenburg
  • Bremen
  • Hamburg
  • Niedersachsen
  • Nordrhein-Westfalen
  • Rheinland-Pfalz
  • Schleswig-Holstein
  • Thüringen
  • Baden-Württemberg
  • Bayern
  • Hessen
  • Mecklenburg-Vorpommern
  • Saarland
  • Sachsen
  • Sachsen-Anhalt

Eingeschränkte Leistungen auch mit der Karte

Auch mit der elektronischen Gesundheitskarte werden längst nicht alle medizinischen Leistungen übernommen. Beispielsweise müssen psychotherapeutische Behandlungen, die gerade für viele Kriegsflüchtlinge besonders wichtig sein können, noch immer in einem langwierigen Prozess beantragt werden. Auch Leistungen wie Zahnersatz und Hilfen bei chronischen Krankheiten werden nicht bezahlt, wenn kein akuter Handlungsbedarf vorliegt.

Studie: Wartezeit ist nicht wirtschaftlich

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Eine Studie von Wissenschaftlern der Fakultät für Gesundheitswissenschaften der Universität Bielefeld und der Abteilung Allgemeinmedizin und Versorgungsforschung am Universitätsklinikum Heidelberg hat ergeben, dass die Wartezeit, bevor Geflüchtete regulär in die Kranken­versicherung eintreten können, auch wirtschaftlich keinen Sinn ergibt. Denn die jährlichen Pro-Kopf-Ausgaben für Flüchtlinge mit eingeschränktem medizinischen Zugang waren in den letzten 20 Jahren etwa 40 Prozent höher als bei Asylsuchenden, die bereits regulären Zugang zum Gesundheitssystem hatten.

Akutversorgung auch ohne Papiere

Auch für Personen, die sich ohne Papiere in Deutschland aufhalten, besteht ein Anspruch auf eine Versorgung bei akuten Krankheiten. Allerdings benötigt der Arzt einen entsprechenden Krankenschein vom Sozialamt, das dann wiederum die Ausländerbehörde über den Aufenthalt in Deutschland informiert. In einem akuten Notfall kann man den Rettungsdienst rufen oder in die Notaufnahme eines Krankenhauses gehen. In diesem Fall gelten auch besondere Schweige­pflichten für die Behandelnden. Genauer erläutert finden Sie das unter anderem auf der Seite der Diakonie.

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Anonyme medizinische Hilfe

Verschiedene Organisationen vermitteln kostenlose und anonyme medizinische Hilfe, auf die Geflüchtete und Migranten ohne Papiere und Kranken­versicherung zurückgreifen können. Ein solches Projekt läuft beispielsweise beim Flüchtlingsrat Berlin. Dieser stellt auch Informationen zur Rechtslage rund um die medizinische Versorgung Geflüchteter zur Verfügung.

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