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Wie könnte eine einheitliche Krankenversicherung aussehen und ist mit ihrer baldigen Einführung zu rechnen?
Inhalt dieser SeiteAktueller Stand: Wann kommt die Bürgerversicherung?
Das Konzept der Bürgerversicherung ist schon seit längerem im Gespräch. Die etablierten Parteien beziehen dazu jedoch unterschiedliche Positionen. Eine zeitnahe Umsetzung ist daher nicht in Sicht. Denn auch mit der 2021 gewählten Ampel-Koalition hat die Bürgerversicherung es nicht in den Koalitionsvertrag geschafft. SPD und Grüne hatten diese zwar in ihrem Wahlprogramm gefordert, die FDP ist jedoch strikt dagegen.
Erstmals in die öffentliche Diskussion gebracht, wurde die Bürgerversicherung 2002 von der rot-grünen Bundesregierung. In der sogenannten „Kommission für Nachhaltigkeit in der Finanzierung der sozialen Sicherungssysteme“, später bekannt als Rürup-Kommission, wurden erste Ideen zur Bürgerversicherung konkretisiert. Mit dabei unter anderem der Gesundheitsökonom, Mediziner und aktuelle Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD). Kerngedanke ist die Verwirklichung und Stärkung des Solidaritäts- und Gerechtigkeitsgedankens im Sinne eines einheitlichen einkommensbasierten Krankenversicherungssystems.
Uneinigkeit zwischen den Parteien
Unterstützung erhält die SPD von der Linken und den Grünen, die sich ebenfalls für eine Bürgerversicherung aussprechen – jedoch eigene Ansätze bei der Ausgestaltung verfolgen. Die FDP sowie die CDU/CSU lehnen die Idee einer Bürgerversicherung nach wie vor ab. Sie wollen am bisherigen dualen Konzept festhalten und befürchten, im Falle eines einheitlichen Krankenkassensystems, schlechtere Versorgungsleistungen für die Versicherten.
Erste Schritte in Richtung Bürgerversicherung bereits gemacht
Erste Schritte in Richtung eines einheitlicheren Krankenversicherungssystem sind zumindest in Teilen der Bundesrepublik bereits erkennbar. So bezuschusst das Land Berlin seit 2020 Beamte mit einer pauschalen Beihilfe zur gesetzlichen Krankenversicherung. Zuvor war dies nur in der privaten Krankenversicherung möglich. Erstmals durchgesetzt wurde die Beihilfe für freiwillig gesetzlich versicherte Beamte in Hamburg. Man spricht daher auch vom „Hamburger Modell“. Eine Gesetzesanpassung ist in weiteren Bundesländern geplant:
Aktueller Stand | Bundesland |
---|---|
Eingeführt | Hamburg, Berlin, Bremen, Brandenburg, Thüringen |
In Planung | Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen |
Gesetzliche Krankenversicherung für Beamte
Was ist eine Bürgerversicherung?
Unter dem Konzept der Bürgerversicherung versteht man ein einheitliches Versicherungssystem für alle Bürger. Die bisherige Aufteilung in gesetzliche Krankenkasse und private Krankenversicherung würde damit wegfallen. Im Sinne der Bürgerversicherung würden alle Bundesbürger zu gleichen Bedingungen versichert werden. Neben den Einkünften aus abhängiger Arbeit würden im Zuge einer Bürgerversicherung auch andere Einkunftsarten bei der Beitragsbemessung berücksichtigt werden.
Unter den politischen Parteien befürworten die SPD, das Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke die Idee einer Bürgerversicherung. Auch der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) sowie zahlreiche Sozialverbände machen sich für das Konzept eines einheitlichen Versicherungssystems stark. Wie das genau aussehen soll, ist nicht klar. Jedoch gibt es verschiedene Modellansätze für eine Bürgerversicherung.
Bürgerversicherung – Welche Modelle gibt es?
Für die Ausgestaltung der Bürgerversicherung liegen verschiedene Modellvarianten vor. Vorschläge kommen vor allem von der SPD, der Linken und den Grünen. Uneinigkeit herrscht vor allem in Hinblick auf die folgenden Fragen:
- Welche Einkunftsarten werden bei der Berechnung der Beitragsbemessungsgrenze berücksichtigt?
- Wo soll die Beitragsbemessungsgrenze liegen?
- Bleibt die PKV bestehen? Welche Übergangslösungen gibt es für Privatversicherte?
- Wie wird die Finanzierungslast aufgeteilt?
- In welchem Umfang werden Zuzahlungen geleistet?
Die Kernpunkte der einzelnen Parteivorschläge zur Bürgerversicherung:
Merkmal | Ausgestaltung bei Bündnis 90/Die Grünen | Ausgestaltung bei Die Linke | Ausgestaltung der SPD |
---|---|---|---|
Beitragsbemessungsgrundlage (Finanzierung) | alle Einkunftsarten sowie Kapitaleinkünfte (z.B. Vermögenseinkommen, Gewinne und Mieteinkünfte) | gesamtes Einkommen und alle Kapitaleinkünfte (z.B. Kapital-, Miet- und Pachterträge) | Gesamtes Einkommen und alle Kapitaleinkünfte (z.B. Kapital-, Miet- und Pachterträge) |
Höhe der Beitragsbemessungsgrenze | keine konkreten Angaben, die derzeitige Grenze soll jedoch angehoben werden ggf. Einführung von Freigrenzen für zusätzliche Einkommensarten | Soll „perspektivisch“ abgeschafft werden Beitragsbefreiung für Kapitalerträge und Zinsen bis zum Sparerpauschalbetrag | Beitragsbemessungsgrenze wird beibehalten und nach dem bisherigen Verfahren fortentwickelt |
PKV-Übergangslösungen | grundsätzlich bieten gesetzliche Krankenkassen und private Krankenversicherungsunternehmen eine Bürgerversicherung zu einheitlichen Bedingungen an Privatversicherte haben die Möglichkeit in die GKV zu wechseln zusätzliche Leistungsansprüche und deren Gewährleistung bleiben über Zusatzversicherungen erhalten | PKV-Vollversicherung wird abgeschafft PKV wird auf Zusatzversicherungen beschränkt keine Übergangslösung | bisher Privatversicherte können wählen, ob sie in die Bürgerversicherung wechseln möchten Bürgerversicherung mit beihilfefähigem Tarif für Beamte |
Aufteilung der Finanzierungslast | paritätische Finanzierung (Arbeitgeber und Versicherte zahlen den Versicherungsbetrag zu gleichen Teilen) Abschaffung des Zusatzbeitrags Einführung kostendeckender Beitragssätze | paritätische Finanzierung (Arbeitgeber und Versicherte zahlen den Versicherungsbetrag zu gleichen Teilen) Abschaffung von Sonder- und Zusatzbeiträgen Beihilfe für Beamte soll durch paritätische Beteiligung des Dienstherrn ersetzt werden | paritätische Finanzierung (Arbeitgeber und Versicherte zahlen den Versicherungsbetrag zu gleichen Teilen) Zusatzbeitrag wird abgeschafft Beitragsentlastungen für Selbstständige mit geringem Einkommen |
Zuzahlungen | sollen abgeschafft werden | keine Zuzahlungen sowie Rücknahme von Praxisgebühren | Menschen mit chronischen Erkrankungen sollen von Zuzahlungen entlastet werden |
Kritik am bisherigen Versicherungssystem
Das duale Versicherungssystem in Deutschland steht schon seit längerem in der Kritik – Einige sprechen bereits von einer Zwei-Klassen-Medizin. So können sich hauptsächlich Gutverdiener privat versichern lassen und damit ein breiteres Spektrum an Gesundheitsleistungen in Anspruch nehmen. Geringverdiener hingegen haben nur selten Zugang zur privaten Krankenversicherung.
Ein Solidarausgleich zur Verbesserung der allgemeinen Versorgungsleistung ist daher in Augen der Kritikern dringend notwendig. So mahnt der Gesundheitsexperte Stefan Etgeton an: „Der durchschnittliche GKV-Versicherte zahlt jedes Jahr mehr als nötig, damit sich Gutverdiener, Beamte und Selbstständige dem Solidarausgleich entziehen können (Quelle).
Vor- und Nachteile der Bürgerversicherung
Die Diskussion um eine Neugestaltung des Krankenversicherungssystems hält bereits seit Jahren an. Befürworter und Gegner einer Bürgerversicherung stehen sich dabei teilweise verhärtet gegenüber. Für einen besseren Überblick haben wir die Vor- und Nachteile der Bürgerversicherung einmal für Sie zusammengefasst (Quelle):
Vorteile der Bürgerversicherung:
Nachteile der Bürgerversicherung:
Bürgerversicherung vs. Kopfpauschale – Wo liegt der Unterschied?
Unter der „Kopfpauschale“ versteht man ein alternatives Konzept zur Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung. Ähnlich wie bei den privaten Krankenversicherungen, können die gesetzlichen Kassen dabei selbst bestimmen, wie viel sie von ihren Mitgliedern verlangen. Jeder Beitragszahler würde damit den gleichen Krankenkassenbeitrag zahlen, unabhängig vom jeweiligen Einkommen. Um Geringverdiener zu entlasten, sieht das Konzept steuerfinanzierte staatliche Zuschüsse vor. Die Bürgerversicherung hingegen basiert auf einkommensabhängigen Beiträge und bildet das theoretische Pendant zur Kopfpauschale.
Steht die private Krankenversicherung vor dem Aus?
Im Zuge der Diskussion um die Bürgerversicherung steht auch die Frage nach der Zukunft der privaten Krankenversicherung immer wieder im Raum. Ginge es nach der SPD, den Grünen und der Linken würde die private Krankenversicherung im Rahmen der Bürgerversicherung abgeschafft werden. Sie wäre lediglich nur noch für den Bereich der Zusatzversicherungen zuständig.
In der Kritik steht die private Krankenversicherung unter anderem aufgrund der stetig steigenden Beiträge. So ist die PKV vor allem im Alter häufig zu teuer. Befürworter der Bürgerversicherung halten die private Krankenversicherung zudem für unsolidarisch und überholt. Eine gänzliche Abschaffung der PKV ist derzeit jedoch nicht in Sicht.
Bertelsmann Stiftung kritisiert PKV
In einer 2020 veröffentlichten Studie spricht sich die Bertelsmann Stiftung für eine Bürgerversicherung aus und kritisiert die privaten Krankenversicherung scharf. Demnach würde die gesetzliche Krankenversicherung jährlich ein finanzielles Plus in Höhe von rund neun Milliarden Euro erzielen, wenn alle Bundesbürger einheitlich versichert wären. Der Beitragssatz könnte damit je nach Szenario um 0,6 bis 0,2 Prozentpunkte sinken. Eine Entwicklung, die vor allem Geringverdiener entlasten würde.
So zeigt die Studie auch, dass Privatversicherte im Durchschnitt 56 Prozent mehr verdienen als gesetzlich Versicherte, sich aktuell aber dem geforderten Solidarausgleich entziehen können. Ein einheitliches Krankenversicherungssystem würde dem entgegenwirken. So betont Brigitte Mohn, Vorstand der Bertelsmann Stiftung: „Nur wenn sich alle Versicherten unabhängig vom Einkommen zusammentun, um die Risiken zwischen Gesunden und Kranken auszugleichen, kann eine tragfähige Solidargemeinschaft entstehen.“ (Quelle).
Wer profitiert von der privaten Krankenversicherung?
Trotz Kritik kann sich die private Krankenversicherung für einige Berufsgruppen lohnen. Wer dabei besonders von den Bedingungen der PKV profitiert, haben wir einmal für Sie zusammengefasst:
Beamte
Wer als Staatsdiener Beihilfe von seinem Dienstherrn bezieht, bekommt von diesem einen 50 prozentigen Zuschuss zu den Beiträgen für die private Krankenkasse. Würden Beamte jedoch freiwillig in der GKV bleiben, entfiele dieser Zuschuss und die Beiträge müssten zu 100 Prozent aus eigener Tasche finanziert werden. Nachzulesen gibt es diese Regelung in § 257 des Sozialgesetzbuches V. Durch den üppigen Zuschuss zu den Krankheitskosten lohnt es sich für Beamte de facto immer, eine private Krankenversicherung abzuschließen.
Studenten
Für Studenten gibt es in der PKV passend zugeschnittene Studententarife. Vor allem Studenten, deren Eltern Beamte sind, können hierbei stark profitieren, denn sie erhalten eine 80 prozentige Beihilfe vom Dienstherrn ihrer Eltern. Die Entscheidung für die private Krankenversicherung für Studenten ist verbindlich für die Dauer des Studiums. Anschließend können die frischgebackenen Akademiker wieder in die gesetzliche Krankenversicherung wechseln, wenn sie es wollen oder eine Notwendigkeit besteht. Es lohnt sich, die Studententarife zu vergleichen.
Junge, alleinstehende Gutverdiener
Die private Krankenversicherung lohnt sich allgemein für junge und gesunde Leute unter 40, deren Familienplanung keine Kinder vorsieht und die bereits ein Vermögen angesammelt haben und sehr gut verdienen. Die Beiträge der in der PKV richten sich nach dem Gesundheitszustand des Versicherten. Deshalb gilt: Je früher und gesünder in die PKV gewechselt wird, desto niedriger sind die Beiträge. Im Umkehrschluss können die Beträge im Alter jedoch, je nach Gesundheitszustand, stark steigen. Deshalb ist ein großes Vermögen in Verbindung mit einem risikoarmen Beruf für einen Eintritt in die PKV mehr als empfehlenswert.
Vor- und Nachteile der privaten Krankenversicherung
Fazit
Bisher handelt es sich bei der Bürgerversicherung noch um eine Idee. Zwar gibt es bereits Konzeptvorschläge von Seiten der SPD, der Linken und den Grünen, eine zeitnahe Umsetzung ist jedoch nicht in Sicht. Erste Aufweichungen zwischen der GKV und PKV sind mit dem „Hamburger Modell“ jedoch bereits erkennbar. Kernziele der Bürgerversicherung sind:
Weitere interessante Themen:
- Vor- und Nachteile der privaten Krankenversicherung
- Beitragsanpassung in der PKV
- Beitragsbemessungsgrenze
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