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Was eine vorvertragliche Anzeigepflichtverletzung bedeutet, wie ein Urteil des Bundesgerichtshofes dazu ausfiel und wie dies die Rechte von Versicherungsnehmern beeinflusst.
Inhalt dieser SeiteDer Fall: Anzeigepflichtverletzung in der Berufsunfähigkeitsversicherung
Ein Berufskraftfahrer hatte im Jahr 2009 eine Lebensversicherung mit einer Berufsunfähigkeitszusatzversicherung abgeschlossen. In der – vor Vertragsabschluss üblichen – Gesundheitsprüfung wurde unter anderem danach gefragt, ob der Versicherungsnehmer in den letzten fünf Jahren aus gesundheitlichen Gründen ärztlich untersucht oder beraten wurde. Diese Frage verneinte der Berufskraftfahrer. Tatsächlich wurde jedoch im Jahr 2005 eine radiologische Untersuchung bei ihm durchgeführt, da er 1998 eine Lungenembolie erlitten hatte.
Hinweis auf die Folgen falscher oder fehlender Angaben
Vor den Gesundheitsfragen stand im Vertrag ein Abschnitt, der folgendermaßen überschrieben war:
„Hinweis auf die Rechtsfolgen der Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht“
Die letzten beiden Zeilen dieses Abschnittes waren gefettet und wiesen den Versicherungsnehmer darauf hin, nochmal zu prüfen, ob alle Fragen korrekt und vollständig beantwortet wurden. Schließlich folgte weiter unten im Vertrag nochmal ein Abschnitt, der mit dem Wort „Erklärung“ überschrieben war und folgendermaßen lautete:
„Ich bestätige, dass ich den Hinweis auf die Rechtsfolgen einer vorvertraglichen Anzeigepflichtverletzung gelesen und verstanden habe.
Alles vollständig – es folgen keine weiteren Risikoangaben.“
Anschließend folgte die Unterschriftenleiste, auf der der Versicherte unterschrieb.
Der Vertrag kommt zustande
Nachdem der Vertrag 2009 zustande kam, erlitt der Berufskraftfahrer im Jahr 2013 erneut eine Lungenembolie. Er beantragte Leistungen aus seiner Berufsunfähigkeitszusatzversicherung. Diese reagierte jedoch mit einer Leistungsverweigerung und begründete die Entscheidung mit den falsch beantworteten Gesundheitsfragen.
Der Verlauf des Gerichtsverfahren
Die Positionen der Beklagten und des Klägers
Position der Beklagten
Die Versicherung behauptet, wenn sie von der Lungenembolie und den daraus folgenden Untersuchungen Kenntnis gehabt hätte, wäre der Vertrag nicht zustande gekommen. Die Versicherung macht neben der Leistungsverweigerung von dem Recht gebrauch, den Vertrag rückwirkend anzupassen und integriert eine Ausschlussklausel in den Vertrag. Diese schließt Lungenembolien vom Versicherungsschutz aus.
Position des Klägers
Der versicherte Berufskraftfahrer behauptet jedoch, den Versicherungsvertreter des Unternehmens über die erste Lungenembolie informiert zu haben. Einzig die radiologische Untersuchung hatte er vergessen.
Der Verlauf des Gerichtsverfahrens
Bevor der Fall zum Bundesgerichtshof gelangte, wurde bereits vor dem Landgericht Meiningen und dem Oberlandesgericht Jena verhandelt. In beiden Vorinstanzen hatte der Kläger Erfolg. Die Versicherung sollte die Leistung erbringen. Sie ging jedoch in Berufung, sodass sich der Fall über mehr als vier Jahre hinzog.
Das BGH-Urteil zur Berufsunfähigkeitsversicherung (IV ZR 16/17)
Der Bundesgerichtshof bestätigte die Entscheidungen der Gerichte, die vorher mit dem Fall betraut waren (Quelle). Der Kraftfahrer bekam Recht und die Versicherung muss die vereinbarte Berufsunfähigkeitsrente an ihn auszahlen.
Die Begründung des Gerichts
Der Versicherte erhält recht, da die Versicherung ihren Kunden aus Sicht der Gerichte nicht ausreichend über die möglichen Folgen der unvollständigen Angabe von Vorerkrankungen informiert hatte. Der im Vertrag enthaltene Hinweis genügt nach Ansicht der Gerichte nicht den gesetzlichen Anforderungen, die in §19 Anzeigepflicht Abs. 5 Satz 1 VVG formuliert sind. Diese verlangen nach Ansicht der Gerichte einen schriftlichen Hinweis. Darüber hinaus müsse gewährleistet sein, dass es einem durchschnittlichen Versicherungsnehmer möglich sei, den Inhalt des Verweises zu verstehen. Eine Vorlage des Antragsformulars lediglich zur Unterschrift genüge insofern nicht.
Versicherungsvertragsgesetzt (VVG) §19 Anzeigepflicht Abs. 5 Satz 1
Dem Versicherer stehen die Rechte nach den Absätzen 2 und 4 nur zu, wenn er den Versicherungsnehmer durch gesonderte Mitteilung in Textform auf die Folgen einer Anzeigepflichtverletzung hingewiesen hat. Die Rechte sind ausgeschlossen, wenn der Versicherer den nicht angezeigten Gefahrenumstand oder die Unrichtigkeit der Anzeige kannte (Quelle).
Versicherer werden in die Pflicht genommen
Das Urteil nimmt die Versicherungsunternehmen in die Pflicht. Wer den Verbraucher nicht mit einer gesonderten schriftlichen Mitteilung auf seine Pflichten hinweist, muss zumindest den Hinweistext im Versicherungsantrag besonders deutlich kennzeichnen.
Interview mit Versicherungsexperte Alexander Vorgerd von transparent-beraten.de
Was halten Sie von dem Urteil?
Vorgerd: Ich gebe dem BGH insofern Recht, dass wichtige Passagen besonders hervorgehoben werden sollten und der Versicherer sollte sich diese auch jeweils unterschreiben lassen. Bei Ausschlussklauseln ist dies schon lange Standard.
Muss man die Fragen der Gesundheitsprüfung jetzt weniger ernst nehmen?
Vorgerd: Nein, auf keinen Fall! Grundsätzlich gilt, dass der Versicherer bei einer Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht je nach Schwere des Verschuldens vom Vertrag zurücktreten darf. Im vorliegenden Fall hat die Versicherung den Prozess nur verloren, da die Hinweise auf die Folgen der Pflichtverletzung nicht deutlich genug waren.
Haben Sie abschließend noch einen Rat für Menschen, die eine Berufsunfähigkeitsversicherung abschließen möchten?
Vorgerd: Nehmen Sie sich Zeit für den Abschluss. Prüfen Sie alle Ihre Erkrankungen. Dies können Sie beispielsweise in Rücksprache mit Ihrem Arzt tun oder Sie fragen bei Ihrer Krankenversicherung nach. In jedem Fall sollten Sie keine Berufsunfähigkeitsversicherung ohne vorherige Beratung abschließen.
Fazit
Das BGH-Urteil zur Berufsunfähigkeitsversicherung stärkt die Rechte der Versicherten und ermöglicht den Leistungserhalt unter Umständen trotz einer vorvertraglichen Anzeigepflichtverletzung. Grundsätzlich gilt jedoch, dass die Fragen der Gesundheitsprüfung in der Berufsunfähigkeitsversicherung immer wahrheitsgemäß beantwortet werden müssen. Ein großer Teil der Leistungsverweigerungen in der Berufsunfähigkeitsversicherung wird seitens der Versicherer mit falschen oder unvollständigen Gesundheitsangaben begründet. Hier bietet das BGH-Urteil unter Umständen einen Ansatzpunkt für Versicherte.
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